10 Dinge, die ich durch CED gelernt habe

1. Geduldig sein

 

Muss das nicht jeder irgendwann lernen? Ja und nein! Das ganze Leben besteht aus warten. Warten an der Kasse, warten auf die große Liebe, warten auf eine Prüfung, warten, warten, warten. Gerade jetzt in der Coronazeit, höre ich wie viele junge Leute sich beschweren, sich schon seit einem Monat nicht mehr treffen zu können oder in Clubs zu gehen.....euer ernst? Was ich meine ist ein anderes Warten. Seit August 2019 warte ich darauf, mein Stoma endlich im Juni 2020 zurückverlegen zu können. Versteht mich nicht falsch. Ein Stoma zu habe, ist nichts schlimmes, aber ich hatte mit CED ein ziemlich normales Leben. Höchstens einen Schub pro Jahr, konnte alles essen , alles machen. Für viele ist das Stoma ein Segen, weil das Leben davor die Hölle auf Erden war, aber nicht für mich. Auch beim Arzt regen sich viele Leute beim warten auf, während ich in Ruhe Instagram und Co auf dem Handy durchforsche. Like, honey, schnapp dir einen Drink und calm down, du bist hier wegen deiner Gesundheit. Versteht mich nicht falsch , ich war die Ungeduld in Person und ich bin noch lange von einem normal Geduldigen entfernt. Aber reist euch zusammen, wenn ich 11 Monate auf eine OP warten kann, dann ihr wohl einen Monat auf Feiern. 

 

 

2. Intuitiv sein 

 

Wie der französische Schriftsteller Luc de Clapiers schon sagte " Der menschliche Geist ist mehr intuitiv als logisch und begreift mehr, als er koordinieren kann". Aber seien wir mal ehrlich, wer ist auch so guilty wie rechts? Ich bin es auf jeden Fall. Chronisch kranke haben aber täglich nur eine begrenzte Menge an Energie zur Verfügung, weshalb wir uns nicht mit Gesunden vergleichen können. Unsere Müdigkeit, kann nicht mit Schlaf beseitigt werden. Als ich jung war, wollte ich mithalten, dazugehören. Hätte mir damals doch jemand gesagt, dass ich 3 Tage nach einem Krankenhausaufenthalt mit dem Fahrrad und Freunden zur Schule fahren soll. Ich merkte, wie mir schwindlig wurde. Bin ich weitergeradelt, ohne was zu sagen? Bingo, 2 Minuten später bin ich kollabiert. Wie oft habe ich meinen Bruder gebeten, sich zu mir zu setzen, weil ich schon schwarz fleckig sah und keine Luft bekam. Ich dachte, ich sterbe! Dies hat mich gelehrt meine Zeit und meine Energie zu verwalten. 

 

3. Erwachsen sein

 

Freunde bewundern mich , wie ich alles organisiere. Arzttermine, Stomaversorgung, Energiemanagement, Zeitmanagement, tägliche Tabletteneinnahme, Schichtdienst als Krankenschwester... ohne Ordnung der reinste Chaos. Vier Arzttermine in einer Woche keine Seltenheit. Versteht mich nicht falsch, ich hasse es immer noch beim Arzt anzurufen. Wer kennts? Manchmal würde ich einfach in den Hörer singen: "Hello it´s me. I´ve been wondering if after all this years you like to meet..hello from the other side I must have called a thousand times..". Unsere Krankheit macht uns erwachsen, ob wir wollen oder nicht. Die Schattenseite ist das dich Traumas  anders über das Leben nachdenken lassen. Schon mit 10 Jahren musste ich mich mit dem Gedanken zu sterben auseinandersetzen. Kann ich Kinder kriegen? Wann ist der Zeitpunkt es jemanden zu erzählen? Warum ich? CED ist nicht nur körperlich eine Herausforderung, sondern auch psychisch und mental.

4. Sei die Ruhe in Person

 

Die meisten schätzen mich auf den ersten Blick als schüchtern, ruhig oder eingebildete Bitch ein. Gurl, ich bin nicht eine Bitch, ich bin DIE BITCH und für dich Mrs. Bitch. Spaß beiseite. Wie oft höre ich " Sorry, dass ich dich falsch eingeschätzt habe, du bist so anders".  " Wow, ich mag deine beruhigende Art". Schweigen ist gold. Wortwörtlich. Zum einen habe ich nur eine gewisse Energie am Tag zur Verfügung und so gelernt, damit sorgfältig umzugehen. Zum anderen habe ich gelernt, desto mehr ich mich aufrege, desto eher kommt der Schub um die Ecke like " Hi bitch, its me." Früher war das nicht so. Ich habe mich von Vielem stressen lassen, auch meinem Perfektionismus geschuldet, aber irgendwann hat das Schicksal mich mit Steinen beworfen, gesteinigt, dass ich mittlerweile locker reagiere. Nehme ich das Schicksal hin? Nein. Ich frage mich täglich, was ich  Falsches gemacht habe, um das zu verdienen. Nach einem kurzen Selbstmitleid kommt die Bitch in mir raus und schreit: " Plot twist!" und nimmt das Ruder wieder in die Hand. Ob ich mir mein Leben so vorgestellt habe? Nope, aber ich werde jede Sekunde genießen. Sollte ich wieder besteinigt werden,  soll auf meinem Grab stehen : "Schau nicht so, ich wär auch lieber am Strand!" Just in case !

 

5. Sei dankbar!

 

Wie oft sagen ältere Menschen: " Sei dankbar!". Früher habe ich das nie verstanden. Heute weiß ich das zu schätzen, was ich habe. Und glaubt mir, es stimmt: GESUNDHEIT ist das größte Geschenk. LEBEN ist das größte Geschenk und wir sollten unseren Müttern dankbar sein für dieses Geschenk. Hier bin ich: jung, krank und lebenshungrig. Wie bildlich kann ich es mir vorstellen, als meine Mutter am Krankenbett stand und ich weinte und flehte, ich würde noch nicht sterben wollen. Und ich bin mir sicher jeder mit einer chron. Erkr. , war schon einmal in dieser Situation. Wenn ich als Kind  in Selbstmitleid versank, sagte meine Mutter, ich solle mich nicht so anstellen, den ihren Patienten im KH gehe es noch schlechter. Logisch. es gibt immer krankere Leute , deshalb ist mein Leid nicht geringer. Heute, da ich selbst Krankenschwester bin, sehe ich wie schlecht es manchen Leuten geht und diese Momente zeigen mir, wie dankbar ich sein kann. Gerade Anderen zu helfen , erfüllt mich, denn keiner weiß mehr zu schätzen, wie hilflos man ist. Klar, gibt es Pat., die ich versuche aufzuheitern. Aber alles was zurückkommt ist ein: "Was weißt du schon? Bist du nicht zu jung, um krank zu sein?.. " Ja und sind Sie nicht zu alt, um noch am Leben zu sein?" ( Achtung Ironie). Ich möchte nicht jeden Tag damit verschwenden an den Tod zu denken. Wenn es soweit ist, dann habe ich guten Gewissens jede Sekunde ausgekostet. Ich war schon fast Tod im Koma und guess what? Hell was too boring und ich nehme es jederzeit nochmal auf.

 

 

6. du bist stärker, als du denkst!

 

Wenn mich heute jemand fragt, woher ich die Kraft nehme. Ganz ehrlich?Ich weiß es nicht. Wenn es drauf ankommt und du keine andere Wahl hast als zu kämpfen, entwickelt man einen unbeschreiblichen Willen. Als ich dem Ende nahe war, flehte ich , zu leben, nicht weil ich Angst hatte zu sterben. Nein, ich habe den größten Teil meines Lebens gekämpft. Gegen mich gekämpft, weil ich die Erkrankung nie als einen Teil von mir akzeptieren konnte und ständig Schmerzen hatte. So würde mein Leid ein Ende haben, aber das konnte ich nicht zu lassen. Denn was mir noch mehr Schmerz zubereitete, wäre meine Mutter leiden zu sehen, wenn ich nicht mehr da wäre. Daraus schöpfte ich meine Kraft und tue dies immer noch. Sie ist meine Mutter, meine beste Freundin, meine Psychologin, mein Anker. Nachdem ich nach dem Unfall 20 kg abgenommen hatte, war ich im Rollstuhl, da meine Muskeln mich nicht tragen konnten. Ich konnte nicht zwei Worte sagen, ohne nach Luft zu schnappen. Eins habe ich gelernt. Niemand wird den Kampf für dich kämpfen. Jeden Tag ging ich spazieren: 50 m, 100 m, 200m, 500m ...Vergleiche dich niemals mit anderen, den sie kämpfen in einem anderen Spiel. Du musst nicht die /der Beste sein! Es reicht die beste Version deiner selbst zu sein!

7. Quality, over quantity!

 

Es werden viele Leute deine Erkrankung nicht akzeptieren, Leute von denen du dachtest sie wären deine Freunde, werden sich über dich lustig machen, dich fallen lassen. Heute weiß ich meine Hand voll von Freunden zu schätzen. Es sind nicht viele, aber wenn ich sie bräuchte, würden sie nachts die Welt umreisen, um mir beizustehen. Ich verschwende keine Zeit mehr Freundschaften mühevoll aufrecht zu halten. Wer nicht bleiben will, den halte ich nicht fest, denn früher oder später zeigt sich, wer deine wahren Freunde sind. Auch Familie ist gold wert, egal was mit dir passiert, ob mit Stoma, Narben, schlechten Launen... sie werden immer zu dir stehen. "Ohana heißt Familie und das heißt das alle zusammenhalten und füreinander da sind, nicht?" Doch am Ende musst du ein ganzes Leben lang für dich kämpfen und diesen Kampf musst du leider alleine bestreiten. Es gibt wertvolle Menschen , die dich begleiten und es leichter machen, aber am Ende kommt es auf dich an!

 

8. Du musst nicht perfect sein, es reicht schon DU zu sein!

 

Ich habe gehört, das Perfektionisten dazu neigen, CED zu bekommen, ob das stimmt, weiß ich nicht. Eins kann ich jedoch sagen ! CED treibt deinen Perfektionismus in den Wahnsinn. Sobald du denkst, du hast dein Leben wieder in den Griff, kommt sie um die Ecke und ruft " Suprise bitch! Hast du mich vermisst?" und gibt deinem Leben mit einem Schub wieder etwas Würze. Irgendwann hast du die fuck- off Mentalität. Das Leben ist wie ein Roadtrip und ,honey, du fährst nicht den Porsche. Nein, du bist Beifahrer. Hier und da darfst du mal entscheiden, wann ihr einen Stopp macht und kurz das Gas drücken, aber das Lenkrad hast du nicht in der Hand.  Noch immer sind die Narben ein Dorn in meinem Auge. Aber weißt du was? In China wird zerbrochenes Porzellan wieder mit Gold repariert. Die Bruchstücke glänzen golden. So hat jede Vase, die einst zerbrochen war, eine goldglänzene einzigartige Ziernarbe, die eine Geschichte erzählt. Und so erzählen meine Narben von meinem Kampf, den ich gewonnen habe. Schäme dich nicht für deine Makel. Sie machen dich einzigartig!  

9. Du lebst dein Leben für dich, nicht für Andere!

 

Ein Urinstinkt wird uns heute in der digitalen Zeit zum Verhängnis: Die Gruppenzugehörigkeit. Früher essentiell zum Überleben, doch heute schadet es uns mehr, als es Nutzen bringt. Bestätigt zu werden, sich mit einer Gruppe zu identifizieren. Aber warum muss heutzutage alles einen Label haben? Lebenslang sind wir auf der Suche denjenigen oder die Sache zu finden, die unser halbvolles Glas füllt. Vergebens! Wenn ich 10000 Follower habe, dann bin ich glücklich. Hat man das Ziel erreicht, muss man meistens vergebens feststellen, dass dies nicht dein Glas füllt. Wir rennen zu "Seelenklemptnern" in der Hoffnung sie können uns sagen, was uns glücklich macht. Wenn die Therapie fehlschlägt, ist es einfach zu sagen: "Er ist ein schlechter Therapeut". Es ist immer einfacher, anderen die Schuld zu geben. Aber seien wir mal ehrlich. Hör auf das zu tun, was die Gesellschaft für richtig hält. Lerne dich kennen! Wer bist du wirklich? Was sind deine Ziele? Du könntest perfekt sein und man würde trotzdem über dich reden. Diese Leute tuen mir einfach nur Leid, denn das ist ein Zeugnis derer eigenen Unzufriedenheit. Wie arm muss man sein, einen kranken Menschen zu schikanieren, damit man von seiner eigenen Unzufriedenheit ablenkt. Lass sie reden. Dies ist der Beweis, dass du alles richtig machst. 

10. Dein Körper ist dein Tempel

 

Das ganze Leben verbringen wir damit gegen unseren Körper zu kämpfen. Für mich war er eh schon kaputt, wertlos. Aber das ist er nicht. Du musst dein ganzes Leben darin verbringen. Schätze ihn, kümmere dich um ihn, höre auf ihn. Auf der Welt gibt es bestimmte "Blue Zones": Zonen in denen die Bevölkerung im Schnitt älter wird als der Rest der Welt, obwohl die medizinische Versorgung bei Weiten nicht so gut ist, wie in den Industrieländern. Zum Beispiel Okinawa in Japan.  Gemeinsam haben sie, dass sie sich weit über 90 % vegan ernähren, bedingt auch durch die Armut. Die sieben Tage Adventisten gehören auch dazu. In ihrem Glauben ist implementiert, den Körper wie einen Tempel zu ehren. Was ich damit sagen will? Nein, ihr müsst jetzt nicht vegan werden, aber Ernährung macht einen großen Unterschied. Dasselbe gilt für Genussmittel, wie Alkohol und Zigaretten und Drogen.