Wie alles begann......
Es war einmal vor langer, langer Zeit , genauer gesagt September 2008. Ich war schon immer ein gesundes Kind, nie krank, doch leider hat meine Körper eine Liebe für exotische Krankheiten. Je seltener , desto besser.
Schon davor hatte Ich ITP und lag lange im Krankenhaus. Ausgesprochen ein Zungenbrecher : Ideopathische Thrombozytopenie. Klingt beeindruckend, kurz gesagt : zu wenig Thrombozyten ( Blutplättchen) , was bei der kleinsten Berührung dazu führte, dass ich sofort blaue Flecken bekam. Ja, genau , ich war die, die im Pausenhof am Rande stand , während alle spielten, weil die Gefahr für mich zu groß war. Auch waren die Bluterkrankungen auf der Station der Leukämieerkrankungen, weshalb ich schon früh mit dem Tod und dem Krankenhaus konfrontiert wurde. Schon früh, zeigte sich der Wunsch, anderen Leuten helfen zu wollen, was mich heute zu meiner Berufung leitete.
Wie habe ich die Diagnose bekommen?
Angefangen hat es mit Blutspuren am Klopapier und 4-5x tgl. Durchfälle, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit.... die ganze Palette eben. Anfangs ging man bei mir von einer Amöbeninfektion aus und gab mir Antibiotika im KH. Bis heute hat man die Amöbenkultur nie bei mir nachgewiesen. Wie auch , denn diese fängt man sich vor allem im asiatischen Raum ein und mein Hintern war bis dahin höchstens am italienischen Strand. Ich wurde entlassen, doch nach ein paar Wochen kam ich nach einem Kreislaufkollaps wieder angerannt, dünner , schwächer , kranker den je...nach Wochen stand die Diagnose fest: Colitis Ulcerosa . Ich war allerdings zu jung, um das Ausmaß zu überreißen. Leider gab es damals in meinem Heimatort noch nicht besonders viel Erfahrung , weshalb ich 1 Jahr dauerhaft hochdosiert Cortison bekommen habe. Größter Fehler meines Lebens ... ok einer davon. Wenn jemand dir über längeren Zeitraum Cortison in hohen Dosen geben will, pack deine Sachen und renn, renn um dein leben. Ende vom Lied : 20 kg in einem Jahr zugenommen, Stiernacken, ein kaputter Tagesrhythmus, Gliedschmerzen... you name it. Und schon im Alter von 10 war ich ein wandelndes Lexikon und merkte schnell, dass viele Ärzte keine Ahnung von CED hatten.
Wie hat die Diagnose meinen Alltag beeinflusst?
Warum man die Erkrankung bekommt, ist nicht erwiesen. Gene, Stress... in meiner Familie gab es keinen Fall , jedoch war ich schon immer eine Perfektionistin und ich wollte um jeden Preis aufs Gymnasium. Voilà , ich bekam die Diagnose in den Sommerferien. Ist aber auch nur meine Theorie. Ende vom Lied, aufgrund von Mobbing und Unverständnis über meine Gewichtszunahme entschloss ich mich für eine Mädchenschule. Dank des halbjährigen Krankenhausaufenthaltes hatte ich das erste Halbjahr der 5. Klasse verpasst. Auf Rat des Direktors sollte ich lieber auf die Hauptschule wechseln, da Aufholen unmöglich ist, doch diese wollten mich nicht aufgrund meiner zu guten Noten. Unmöglich ? Nicht für mich. Ein qualvolles Jahr lernte ich nach der Schule bis ich morgens um 1 Uhr über meinen Büchern einschlief, der Wecker riss mich dann um 4 aus dem Schlaf , damit ich vor der Schule weiterlernen konnte. Freunde , Spaß, Freizeit - Fremdwörter, doch Aufgeben war keine Option. An dieser Stelle muss ich sagen , wie dankbar ich meiner Mutter bin, die das alles mit mir Durchgezogen hat. Auch bekam ich den seit Jahren ersehnten Hund, der schnell zu meinem besten und einzigen Freund in dieser Zeit wurde.
Mein Therapieweg
wie oft ich im Krankenhaus war ? Ich habe aufgehört zu zählen, aber eins weiß ich - zu oft. Nach einem Jahr war der Arzt am Ende seines Lateins , weshalb meine Mutter für mich die beste Entscheidung meines Lebens machte: ich stellte mich in der Haunerschen Kinderklinik in München vor und wurde mit Salofalk und Azathioprin eingestellt. Alle drei Monate ging ich mit meinen Eltern zur Kontrolle hin, bei Schüben ( immer in den Sommerferien - ihr wisst bescheid ;) ) war ich stationär dort und bekam Cortison, was aber immer schnell wieder ausgeschlichen wurde. Die Jahre vergingen und was soll ich sagen , ich habe mein Leben gelebt. Nun ja , so gut es ging , die CED eine Klopapierrolle entfernt. Ich ging auf Tanzmeisterschaften, machte viel Sport und absolvierte mein Abitur mit Bravur. Klingt wie im Märchen, natürlich gab es auf und abs. Zeiten in denen ich sterben wollte und das schon jung, Stunden auf denen ich im Krankenhaus auf dem Klo saß und die Kacheln zählte ( PS. es wurden nicht mehr ) . Irgendwann war ich auf der Station als Speedy bekannt. Warum? Ich hatte genau das Zimmer, das kein WC hatte und musste deshalb auf eins im Gang gehen. Ihr kennt das. Wenn du musst , dann plötzlich und sofort , also kannten mich die Schwestern mit dem Infusionsständer quer im Arm haltend ( sonst bleibt er an der Tür hängen) im Gang vorbeirennend. Vergesst jeden Guinnesbuch Rekordhalter im Sprinten - ich hätte alle übertroffen.
Das Anfang vom Ende
Mit 18 wechselte ich zu einem anderen Arzt, da ich kein Kind mehr war. Nach einem Jahr wechselte ich nochmals , da ich nicht zufrieden war. Ich war 21 und hatte wieder meine jährliche Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge. Nun ja , bei einer Sache kann ich mir sicher sein : an Dickdarmkrebs sterbe ich in diesem leben nicht mehr . Zwei Tage später meldete ich mich telefonisch beim Arzt wegen blutigen Stuhlgängne 30x tgl. , seine Sekretärin ließ ausrichten,dass er keine Zeit habe und wenn ich meine, es sei ein Schub, solle ich nach dem vereinbarten Schema Cortison einnehmen oder notfallmäßig ins KH gehen. Was ist ein Notfall? Blutige Stuhlgänge waren nichts Neues als CED Patient und auch stärkste Bauchschmerzen konnte ich nach all den Jahren aushalten, weshalb ich mich für Variante 1 enschied. Drei Tage später fuhr ich nachts in die Notaufnahme, gut mein Bruder fuhr , ich war eher wie ein Wurm gekrümmt. Ich wurde sofort stationär aufgenommen und nach ein paar Tagen der Diagnostik , entdeckte man eine gedeckte Perforation : kurz gesagt bei der Koloskopie ( Dickdarmspiegelung) hat der Arzt mir 8 cm Dickdarm aufgerissen, wodurch Stuhl in mein Bauch floss , gedeckt heißt das ganze , weil andere Organe sich über diese Stelle gelegt haben. Meine Blutwerte/ Entzündungswerte eine Katastrophe und ich vollgedröhnt mit Schmerzmittel kaum ansprechbar. Der Professor wollte noch das Wochenende abwarten und mir einen langen Leidensweg ersparen, da es alleine zuheilen könnte. jedoch entschied er sich letztendlich zur OP, den er wusste nicht, ob ich morgen noch operationsfähig bin und noch etwas für mich tun kann. So begann die Hölle auf Erden: August 2019 - ich bekam ein Stoma und der Dickdarm wurde entfernt. Damit ist zwar die Colitis geheilt , aber 2 Tage nach der OP hatte ich eine Luftembolie : Wie es dazu kam, weiß man bis heute noch nicht, aber der zentrale Venenkatheter hat Luft in mein Kreislaufsystem gezogen. Was passiert mit einer Pumpe , wenn sie Luft zieht. Genau , sie kann nicht mehr gescheit pumpen. Meine Lungen kollabierten und das nächste , woran ich mich erinnere ist , dass ich am Boden lag und ein junger Arzt mich reanimierte. Gefühlt hat er aber Anlauf genommen und mich mit den Füßen getreten, nach paar Sekunden war ich wieder weg.
Glück im Unglück
05.08.2019 - es war ein sehr erfahrener Arzt anwesend, der vorschlug, mich auf den Bauch zu legen und siehe meine Lungen stabilisierten sich , jedoch wurde ich einen Tag ins künstl. Koma gelegt. 24 Stunden, 1440 Minuten , 86400 Sekunden purer Horror für meine Familie. Ich habe über die Wochen von 50 kg auf 37 kg abgenommen, meine Muskeln konnten mich nicht tragen, meine Atemausdauer war schlechter als die einer 80 Jährigen ..... ich musste alles neu lernen: Laufen, Atmen , Sprechen ohne nach jedem Wort nach Luft zu Ringen. In dieser Zeit habe ich gelernt, wie wichtig Freunde und Familie sind. Und eins kann ich nach den Jahren sagen, es sind nicht viele Freunde, aber diese würden nachts um 3 Uhr um die Welt reisen, wenn ich sie brauche.
Leben mit Freddy
Ihr denkt euch jetzt, wer zum Teufel ist Freddy . Eines Tages im Krankenhaus sah meine Mutter mich an und sagte , ab heute hieße mein Stoma Freddy . Bis heute wissen wir nicht warum, aber hier ist er - mein temporärer Begleiter. Ich hatte bereits im Mai eine weitere OP , um mich auf die Rückverlagerung des Stomas vorzubereiten . Stichtag ist der 30. Juni 2020 , an dem ich Frieden mit mir und Freddy schließen kann. Und glaubt mir ich werde triumphierend Survivor von Destinys Child hören , während ich meine große Bauchnarbe wie eine Trophäe meines Kampfes gegen Colitis Ulcerosa tragen werde. Woher ich meine Kraft habe, fragen mich viele . Hatte ich eine Wahl? Entweder frisst dich die Krankheit auf oder du frisst sie , als Nachtisch gibts eine Portion Lebensfreude. Es ist hart , verdammt hart , aber eins kann ich sagen : Dieser Kampf lohnt sich !